Kleine und mittlere Betriebe können unter den Voraussetzungen des § 7g Abs. 1 EStG für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40% der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen. Sowohl der I. Senat des BFH (Urteil vom 28. April 2016, Az. I R 31/15) als auch der IV. Senat des BFH (Urteil vom 23. März 2016 (Az. IV R 9/14) haben nunmehr auch die nachträgliche Bildung von derartigen Investitionsabzugsbeträgen nach der seit 2007 geltenden Fassung des § 7g EStG (nach Änderung durch das UntStRefG 2008) zur Kompensation von Mehrergebnissen aus Betriebsprüfungen gebilligt.
Nach Auffassung des höchsten deutschen Steuergerichts kann das Wahlrecht zur Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags formal bis zum Eintritt der Bestandskraft und damit auch noch innerhalb der Einspruchsfrist hinsichtlich der Festsetzung von Mehrsteuern nach einer Betriebsprüfung ausgeübt werden, um das Mehrergebnis zu kompensieren. Der BFH führt dabei aus, dass dem die Vorschriften zur Bilanzberichtigung nicht entgegenstehen, da der Investitionsabzug seit Änderung des § 7g EStG durch das UntStRefG 2008 nicht mehr innerhalb der Bilanz, sondern außerbilanziell erfolgt.
Nach Auffassung beider Senate steht der nachträglichen Bildung des Investitionsabzugsbetrags auch die von der Rechtsprechung zur alten Fassung des § 7g EStG (vor Änderung durch das UntStRefG 2008) entwickelte Anforderung an einen konkreten Finanzierungszusammenhang zwischen Investition und Rücklagenbildung nicht entgegen. Dabei ist nach Auffassung des IV. Senats seit der Änderung des § 7g EStG durch das UntStRefG 2008 überhaupt kein Finanzierungszusammenhang mehr erforderlich, während der I. Senat diese in der Literatur umstrittene Frage ausdrücklich offenlassen will. Aber auch der I. Senat billigt im Ergebnis die nachträgliche Bildung des Abzugsbetrags zur Kompensation von Betriebsprüfungsmehrergebnissen, da dies einem entsprechenden Finanzierungszusammenhang seiner Auffassung nach ohnehin nicht entgegenstehe.
Von beiden Senaten des BFH wird lediglich verlangt, dass der Steuerpflichtige die von § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a EStG im Jahr der Geltendmachung geforderte Investitionsabsicht anhand objektiver Umstände nachweist, wobei aber bereits die im Investitionszeitraum tatsächlich vorgenommene Investition als Beweisanzeichen gelten kann. Die Glaubhaftmachung setze dabei im Gerichtsverfahren voraus, dass das Gericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Überzeugung gewinnt, dass der Steuerpflichtige bereits am Bilanzstichtag des Abzugsjahres die Absicht hatte, das begünstigte Wirtschaftsgut anzuschaffen oder herzustellen.
Anzumerken bleibt, dass der Nachweis einer derartigen Investitionsabsicht nach der ab 2016 geltenden Fassung (genauer für Wirtschaftsjahre die nach dem 31. Dezember 2015 enden) des durch das Steueränderungsgesetz 2015 erneut angepassten § 7g EStG ohnehin nicht mehr erforderlich ist, sodass nach Betriebsprüfungen für Veranlagungsjahre ab 2016 die nachträgliche Bildung von Abzugsbeträgen zur Kompensation von Mehrergebnissen auch ohne einen derartigen Nachweis möglich sein wird.
Die beiden Entscheidungen sind für kleine und mittlere Betriebe interessant, da sie in vielen Fällen ermöglichen, das Mehrergebnis aus Betriebsprüfungen zu glätten, wodurch neben einem Finanzierungs- bzw. Liquiditätseffekt insbesondere oft empfindliche Steuernachzahlungszinsen sowie ggf. nachteilige Progressionseffekte vermieden werden können.